Another Crack in the Wall
Der digitale Streit um rechtsextreme Raumgewinne
Außerdem im Blitzlicht:
Informationsverschmutzung durch Dekontextualisierung
Digitale Contenance statt Triggerpunkte
Der Radar beginnt mit einer wichtigen Nachricht: Im Sommer 2023 waren die durchleuchteten Telegram-Accounts im demokratiefeindlichen Spektrum weniger aktiv als in den vergangenen Untersuchungsperioden. Vor allem kleinere und mittelgroße Accounts wurden stiller, die Themen COVID-19 und der Krieg Russlands gegen die Ukraine verloren an Bedeutung. Ist die Hochphase von Telegram vorbei? Für die deutsche Politik bleibt jedoch auch im Hinblick auf die sächsische Landtagswahl 2024 wesentlich, dass der Telegram-Account der Freien Sachsen weiterhin populär bleibt. Künftige Trendreports werden zeigen, wie sich der Terrorangriff der Hamas auf Israel, der bereits außerhalb des Untersuchungszeitraums dieser Ausgabe liegt, und dessen Folgen auf die beobachteten Akteure auswirken.
Wie umgehen mit rechtsextremem Hass und den Erfolgen von Rechtsaußen? Der Fokus zeigt, dass die Debatte im Netz oftmals dazu führt, dass sich Linke, aber auch Konservative, so sehr über die »richtigen« Reaktionen in die Haare kriegen, dass schlussendlich keiner gewinnt – bzw. im worst case sogar gerade diejenigen, die Aufmerksamkeit erhalten und sich zu Opfern von Debatten stilisieren. Der Text zeigt die Schwierigkeiten des richtigen Umgangs und betont, dass wir uns von denen, die die Gesellschaft spalten wollen, nicht selbst spalten lassen dürfen.
Im Blitzlicht erinnert uns Medienwissenschaftlerin Whitney Phillips daran, unser eigenes Verhalten auf den sogenannten sozialen Medien zu reflektieren, um nicht selbst zu Kontextkollaps und Informationsverschmutzung beizutragen. Die Plattformen helfen uns nicht dabei, sondern befördern destruktive Verhaltensweisen. Kritik an ihnen ist wichtig – sie darf jedoch nicht die selbstkritische Perspektive auf unser eigenes Nutzungsverhalten verschließen.
Die Rundschau verweist auf eine Vielzahl an Versuchen der staatlichen und privaten Regulierung sowie der zivilgesellschaftlichen Bekämpfung von Fehlentwicklungen in den sozialen Medien. Sie betont ebenso eine weitere Welle des Abschieds von X a.k.a. Twitter, diesmal zur Plattform Bluesky. Ob diese uns in Zukunft von manchen der in diesem Trendreport analysierten Fehlentwicklungen verschont, steht noch in den Sternen.
Manès Weisskircher, Berater vom Dienst für diese Ausgabe
Dr. Manès Weisskircher ist Leiter der BMBF-Nachwuchsgruppe REXKLIMA (Rechtsextremismus versus Klimaschutz?) an der TU Dresden. Er ist affiliierter Forscher am Center for Research on Extremism an der Universität Oslo und Gastwissenschaftler am Zentrum für Zivilgesellschaftsforschung (Wissenschaftszentrum Berlin). Seine Forschungsschwerpunkte sind soziale Bewegungen, politische Parteien, Demokratie und Rechtsaußen-Akteure.