Business as Unusual
Das Management der digitalen Empörung
Außerdem im Blitzlicht:
Böswillige Interpretationen im Twitter-Lagerkampf
Zerrbilder der digitalen Mobilisierung
Wenn demokratiefeindliche Akteure mobilisieren, tun sie oft so, als eilten sie herbei, um unterdrückten politischen Positionen Gehör zu verschaffen. Zugleich malen sie das Bild, sie stünden für eine bisher schweigende Mehrheit, die sich jetzt aber zur Wehr setze.
Es ist eine Doppelstrategie, die zwischen Selbstdarstellung und Manipulation changiert.
Die Beiträge in diesem Trendreport zeigen, dass dies oftmals mehr Schein als Sein ist, aber auch, dass solche Bemühungen mitunter monetären Interessen folgen. Gerade die digitale Kommunikation bietet für die Monetarisierung agitatorischer Inhalte und die Beeinflussung der öffentlichen Debatte neue Potentiale.
Der Radar präsentiert erneut die jüngsten Ergebnisse des Langzeit-Monitorings, mit dem das Kommunikationsverhalten des demokratiefeindlichen Spektrums auf Telegram analysiert wird. Er stellt zudem eine Analyse der unter dem Hashtag »Stolzmonat« geführten Twitter-Kampagne vor, mit der rechte bis rechtsextreme Online-Aktivist*innen im Juni versuchten, im Windschatten des Pride Month nationalistische Akzente zu setzen. Die Ergebnisse zeigen, dass durch strategisch koordiniertes Verhalten der Anschein einer Grassroots-Bewegung vermittelt werden sollte, bevor sich im zweiten Schritt reguläre Nutzer*innen an der Kampagne beteiligten.
Der Fokus wiederum richtet die Aufmerksamkeit darauf, dass digitaler Aktivismus eben nicht nur Politik, sondern im wahrsten Sinne auch ein Geschäft ist. Digitale Plattformen und Technologien bieten politischen Influencer*innen, Alternativmedien und Organisationen vielfältige Möglichkeiten, über crowd-basierte Mikrofinanzierung neue Einnahmequellen zu erschließen. Am Beispiel der Analyse von Finanztransaktionen auf Krypto-Konten zeigt die Untersuchung, dass insbesondere politische Influencer*innen und Milieumanager*innen veritable Geldströme generieren können.
Das Blitzlicht widmet sich anhand zweier Fallbeispiele der Frage, wie aus dem fehlenden Willen zum Verständnis des Gegenübers eine Empörungsspirale in Gang gesetzt werden kann. Mit dem Philosophen Philipp Huebl wird eingeordnet, warum moralgeladene Debatten überhand nehmen und das Prinzip der wohlwollenden Interpretation in digitalen Diskursen keine Anwendung findet. Auch so entstehen Zerrbilder öffentlicher Debatten. Dass sich im Bereich der Regulierung und Stärkung demokratischer Kultur gegen Hass im Netz einiges tut, zeigt erneut die Rundschau.
Insgesamt machen die Beiträge der vorliegenden Ausgabe deutlich, dass Zerrbilder der Realität durchaus einen Einfluss haben. Aber auch, dass eine datengestützte Analyse die Mechanismen dahinter offenlegen kann.
Annett Heft, Beraterin vom Dienst für diese Ausgabe
Dr. Annett Heft ist Leiterin der Forschungsgruppe »Dynamiken der digitalen Mobilisierung« am Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft und der Freien Universität Berlin. Sie forscht zu digitaler politischer Kommunikation und Öffentlichkeit mit einem Schwerpunkt auf der Analyse von rechtsalternativen Online-Medien sowie digitalen Kommunikationsstrukturen und Netzwerken von rechten Parteien und Bewegungsakteuren. (Bild: Esra Eres)