Glossar

A

AUF1 ist ein digitaler Fernsehsender, der mit verschwörungstheoretischen und rechtsextremen Inhalten ein breites Publikum erreicht. Der in Österreich sitzende Sender ist auf vielen Demonstrationen in Deutschland zugegen und eine zentrale Plattform für Akteure des demokratiefeindlichen Milieus. Der Sender wird geleitet vom österreichischen Rechtsextremisten Stefan Magnet.

Technische Affordanzen meinen den Angebotscharakter einer Technologie oder Infrastruktur. Der Begriff beschreibt intendierte Anwendungsweisen von Produkten, in die bestimmte kulturelle Werte und Vorprägungen eingeschrieben sind und sich im Design von (unter anderem) digitalen Plattformen materialisieren. Dass Twitter bspw. die Länge eines Tweets auf (einst 140, dann) 280 Zeichen festsetzt, beeinflusst den Ton und den Inhalt der Kommunikation. So beeinflussen die Normen und Vorstellungen der Entwickler*innen von Technologien die Art der öffentlichen Kommunikation.

Anti-Mainstream-Gruppen ohne klare Zielsetzung. Sie setzen ihre Akzente alternierend zu dem, was als stark grün geprägter Mainstream wahrgenommen wird, und haben sich oft aus Querdenken-Gruppen heraus entwickelt.

C

Das von Jürgen Elsässer geführte »Magazin für Souvernität« erhielt seine Relevanz im Kontext des »Friedenswinters« 2014/15. Hier trommelte Elsässer für eine Querfront linker und rechter Kriegsgegner*innen gegen einen Konflikt mit Russland. Später entwickelte Compact eine starke Nähe zur AfD. Der Verfassungsschutz stellte 2021 fest, dass das Magazin gesichert rechtsextremistisch sei. Im Kontext der Corona-Proteste nahm Compact einen aktiven Part bei der Mobilisierung ein. Was das Magazin besonders auszeichnet, ist der hohe Grad an Integration verschiedener Strömungen aus dem rechtsextremen und verschwörungsideologischen Spektrum. Im Juli wurde der Verein hinter Compact verboten.

Im Kontext der Bewegungsforschung bezieht sich der Begriff auf den Prozess, durch den soziale Bewegungen und Aktivisten Forderungen, Ansprüche oder Rechte gegenüber verschiedenen Adressaten – häufig der Öffentlichkeit, politischen Entscheidungsträger*innen oder anderen relevanten Akteuren – formulieren und geltend machen. Dabei geht es um die performative und oft strategische Darstellung von Anliegen, um Unterstützung zu mobilisieren, Bewusstsein zu schaffen oder politische und soziale Veränderungen zu bewirken.

D

Dieser Begriff meint den Prozess, durch den sich bestimmte Normen, kulturelle Praktiken, Ideen, Innovationen, Technologien oder Verhaltensweisen innerhalb einer Gesellschaft oder zwischen verschiedenen Gesellschaften verbreiten. Der Prozess umfasst die Übertragung und Annahme dieser Elemente durch Einzelpersonen, Gruppen oder Organisationen und kann auf verschiedene Weisen erfolgen. Pfade und Mechanismen dieses Prozesses zu rekonstruieren, ist Gegenstand der Diffusionsforschung.

Die Visualisierung zeigt die Nutzungshäufigkeiten der Hashtags #sylt und #lamourtoujours auf TikTok im wöchentlichen Zeitverlauf seit September 2023 zusammen mit den Häufigkeiten der Nutzung des Songs »L’amour toujours« in TikTok-Videos. Es wurde eine logarithmische Skala verwendet, um sowohl den Höhepunkt der Beliebtheit (mit fast 20k Videos) als auch Änderungen im restlichen Zeitverlauf (mit <200) sinnvoll zusammen darstellen zu können. Zu beachten ist hierbei, dass dadurch Unterschiede in den Häufigkeiten auf den ersten Blick kleiner wirken mögen als sie sind. Inhaltlich auffällig ist, dass die Anzahl hochgeladener Videos mit dem Hashtag #sylt schon vor der medialen Berichterstattung explodierte und quasi zeitgleich mit dieser den Peak erreicht, während die Referenz zu dem Lied (Nutzung des Songs oder als Hashtag) erst verzögert an Popularität gewinnt. Die Annahme liegt nah, dass sich hier im Zeitverlauf der Diskurs vom Ausgangsevent wegbewegte und in die Reproduktion einer kulturellen Praxis überging.

E

In der Diffusionsforschung bezeichnet man so einen Mechanismus der Verbreitung von Ideen oder Praktiken. Er meint, dass Akteure etwas von anderen Akteuren nachahmen, das sie etwa in den Medien mitbekommen haben. Genauere Hintergründe sind ihnen nicht bekannt; sie (re-)interpretieren den Gegenstand nach eigenem Gusto. Der Mechanismus unterscheidet sich damit von dem des Lernens, wo der Empfänger eine Beziehung zum Sender hat, die ihm eine Adaption des Gegenstands in seinem eigentlichen Sinne ermöglicht.

F

Die von dem rechtsextremen Anwalt Martin Kohlmann gegründete Partei entstand im Kontext der Proteste gegen die Maßnahmen zur Pandemieeindämmung. Sie bietet einen Mobilisierungsrahmen für verschiedene rechte Kräfte in Sachsen. Die Freien Sachsen rufen in hoher Frequenz zu Demonstrationen auf, wobei sie dezidiert auf eine regionale Identität rekurrieren. Aufmerksamkeit bekam die Gruppe durch Forderungen nach einem »Säxit«, aber auch durch besonders radikale Rhetorik und einen professionellen Social-Media-Auftritt. Ableger gründeten sich in anderen Bundesländern.

Darunter verstehen wir ein Phänomen, bei dem die öffentliche Reaktion auf ein wahrgenommenes gesellschaftliches Problem selbst von Teilen der Öffentlichkeit als kontrovers empfunden wird. Durch diese Aufwirbelung werden Akteure, die eigentlich unterschiedlich zu dem Problem stehen, insofern zusammengeführt, als sie eine Kritik an der Reaktion teilen. Folge dieser Ablagerung kann sein, dass das Ausgangsproblem relativiert wird oder gar, als Symbol der Kritik, Sympathie erhält.

J

Dieser Verlag ist ein vom rechtsextremen Aktivisten Philip Stein geleitetes Kleinunternehmen mit Sitz in Dresden. Der Verlag publizierte in der Vergangenheit Schriften von faschistischen Theoretikern und ist mit seinem Podcast eine wichtige Schnittstelle von intellektuellen Rechtsextremisten. Vertreter des Verlages nehmen regelmäßig an internationalen Austauschtreffen mit neofaschistischen Akteuren aus Europa teil, unter anderem der Bewegung Casa Pound aus Italien.

L

LLMs sind Sprachmodelle und im weiteren Sinne künstliche neuronale Netzwerke, die mit riesigen Datenmengen trainiert wurden, um dann unspezifischen Text erzeugen zu können. Das LLM GPT-4 von OpenAI wird heute beispielsweise in Chat-GPT verwendet und ist das wahrscheinlich geläufigste. Mittlerweile haben aber auch andere Firmen ähnliche LLMs entwickelt. Beispielhaft seien hier Googles Gemini, Mistral oder Metas LLAMA-Reihe genannt. Die beiden letzteren haben den Vorteil, dass sie Open-Source sind, offline betrieben und in eigene Programme eingebunden werden können.

M

Damit sind Internet-Prominente gemeint, die in einer bestimmten Nische tätig sind. Geprägt wurde der Begriff von Alice Marwick und Danah Boyd, die damit eine Selbstdarstellungstechnik beschreiben, »bei der Menschen sich selbst als öffentliche Persona betrachten, die von anderen konsumiert wird und strategische Intimität einsetzen, um Anhänger anzusprechen, und ihr Publikum als Fans betrachten«. Beispiele sind Beauty-Blogger, Reise-Vlogger oder Momfluencerinnen: Personen also, die in einer bestimmten Internet-Community Berühmtheit erlangt haben, im digitalen Mainstream allerdings weitgehend unbekannt sind. Da ihr Ruhm von Social-Media-Trends abhängt, zeichnen sich Mikro-Promis durch ihre Vergänglichkeit aus.

O

Unter Outdegree versteht man die Anzahl der ausgehenden Verbindungen von einem Knoten. Bei unseren Kommunikationsnetzwerken auf Telegram kann man daran ablesen, wie viele Akteure den Kanal teilen. Analog definiert sich der Indegree, nur dass wir hier von eingehenden Verbindungen sprechen. Um beim Telegram-Beispiel zu bleiben, wäre das dann die Anzahl an anderen Akteuren, die unser Knoten teilt.

P

So lässt sich die Doppelrolle von Nutzern in den sozialen Medien beschreiben, die ständig zwischen dem Konsum und der (Re-)Produktion von Inhalten changiert. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass dort das Sender-Empfänger-Verhältnis dermaßen verflüssigt ist, dass nicht mehr klar ist, wann genau ein Konsument zum Produzenten von Informationen wird. Das geschieht nämlich nicht nur, wenn Nutzer etwa kollaborativ bei Wikipedia mitarbeiten, sondern latent schon dort, wo Inhalte geteilt oder retweetet werden – und etwas subtiler auch schon dort, wo Inhalte geliked oder kommentiert werden. Denn in der algorithmisch organisierten Öffentlichkeit erhöhen solchen Handlungen den Interaktionswert eines Inhalts und damit seine öffentliche Sichtbarkeit. Sogar wenn man etwas negativ bewertet und mit Gegenrede kommentiert, tritt dieser reproduktive Effekt ein, ja mag sogar Anlass zu weiteren Reaktionen und Gegenreaktionen geben, die reproduktiv wirken.

S

So wird eine intransparente Moderationspraxis digitaler Plattformen genannt, die die Reichweite von Videos reduziert, indem Videos algorithmisch benachteiligt werden und so eine geringere Reichweite erhalten. Viele Aktivist*innen monieren, dass die Reichweite ihrer Videos gedrosselt werden. Allerdings ist dies schwer nachzuweisen, denn Plattformen geben hierzu keine Auskünfte.

Damit ist eine Dynamik gemeint, bei der der Versuch, eine Information zu zensieren, zu unterdrücken oder zu verbergen, unbeabsichtigt dazu führt, dass diese noch mehr Aufmerksamkeit erhält. Das Phänomen ist nach der Schauspielerin und Sängerin Barbra Streisand benannt. Der Begriff entstand, nachdem sie 2003 versuchte, die Verbreitung eines Fotos ihres Hauses in Kalifornien zu verhindern, was zu einer erheblich größeren öffentlichen Aufmerksamkeit für das Foto führte. Umgangangssprachlich, etwa im digitalen Raum, wird der Begriff oft auch verwendet, um generell zu beschreiben, dass der Versuch, etwas zu bekämpfen, genau das Gegenteil bewirkt und die unerwünschte Sache nur noch verstärkt. Im engeren Sinne geht es bei dem Begriff aber um die Karriere von Informationen.

V

Ähnlich wie beim Vlogging bezeichnet die Modifikation des Wortes Podcasts eine sprachzentrierte Konversation, bei der sich zwei oder mehrere Personen filmen (lassen). Der Vodcast ist ein cross-mediales Format, das es ermöglicht, unterwegs als Podcast gehört oder mit Video auf Endgeräten konsumiert zu werden.