Five Shades of Hate: Gruppenbezogene Abwertung in Zeiten der Memifizierung
Wie werden Memes für die Abwertung oder gar Entmenschlichung sozialer Gruppen genutzt? Im Kontext einer zunehmend bildbasierten Online-Kommunikation versprechen gerade Text-Bild-Kombinationen eine besondere Viralität für entsprechende Botschaften: Die aufmerksamkeitsfördernde visuelle Aufmachung kann sie nämlich über die übliche Reichweite hinaustragen. Auf Grundlage einer Zufallsstichprobe untersuchen wir daher erstmals auf einer breiten Datenbasis, wie diskriminierende Memes auf Telegram Anwendung durch rechtsextreme und verschwörungsideologische Akteure finden. Welche fünf Gruppen dabei ins Visier genommen werden, welche (uneindeutigen) Botschaften solche Bilder transportieren und welche stilistischen und persuasiven Elemente sie aufweisen, erfahrt ihr in unserem Fokus-Thema.
Wir leben im Zeitalter des Memes. Griesgrämige Katzen, ulkig lachende Kinder, sentimentale Superhelden oder peinliche Tanz-Challenges: Sie alle werden genutzt, um die oft nicht in Worte zu fassende Skurrilität des Alltags darzustellen; widersprüchliste Kontexte werden remixed, Reaktionen provoziert. Als omnipräsentes Digitalphänomen kombinieren sie auch politische Botschaften mit (Bewegt-)Bildern aus der Pop- oder Alltagskultur, die vielen vertraut sind. Memes sind sozusagen Insiderwitze für die Masse. Ob Olaf Scholz’ Augenklappe,1 Bernie Sanders’ Strickhandschuhe2 oder Leonardo DiCaprios Cocktailgläser,3 erfolgreiche Memes gehen einher mit Elementen, die (vermeintlich) keiner Erklärung bedürfen. Zugleich darf bezweifelt werden, dass ihre Botschaften von den Rezipient*innen auf gleiche Weise verstanden werden. Nicht nur lässt sich schwer rekonstruieren, was die Absicht hinter einem Meme ist. Sie sind auch uneindeutig und vielfältig interpretierbar, zumal der Kontext flüchtig ist und die Welt sich immer schneller dreht. Eine fragmentierte, digitale Öffentlichkeit fördert zudem sehr unterschiedliche Wahrnehmungen.
Memes entsprechen einem Zeitgeist, die Komplexität der Welt auf ein schnell konsumierbares Format reduzieren zu wollen. Sie sind ein effektives Mittel, um gesteigerte Aufmerksamkeit für eine Botschaft zu erzeugen. So überrascht es nicht, dass Memes auch strategisch genutzt werden, um politische Ziele zu erreichen. Erinnert sei hier an die sogenannten »Meme-Kriege« der US-amerikanischen Alt-Right, die sich im Zuge der Wahl Donald Trumps 2016 Bahn brachen.4 Auch in Deutschland hielten Memes Einzug in die politische Kommunikation, insbesondere beim Bundestagswahlkampf 2017.5 Dass Memes seitdem erfolgreich mit abwertenden Botschaften verbunden werden, zeigen diverse jüngere Kampagnen. Ob durch rechtsextreme Netzwerke strategisch angefeuert oder über rassistische Cartoons in Familiengruppen transportiert:6 die Intensität solcher Abwertungen reicht von subtilen Stereotypisierungen über latente Vorurteile bis zu manifester Feindschaft. Memes sind ein fester Bestandteil digitaler Hasskommunikation.7
Während das problematische, hetzerische Potenzial von Memes zwar prinzipiell erkannt wurde, gibt es bisher nur wenige empirische Untersuchungen zur Spezifität von abwertenden Memes in deutschen Sprachkontexten.8 Im Folgenden untersuchen wir daher anhand der Akteure aus unserem Monitoring-System auf Telegram, welche Gruppen besonders zum Gegenstand memifizierter Abwertung gemacht werden. Insbesondere interessiert uns dabei, welche (multiplen) Botschaften die Bild-Text-Kombinationen transportieren, die der Diskriminierung einer bestimmten Gruppe dienen können. Relevant ist dabei auch die Frage, welches (politisch-)kulturelle Vorwissen dafür sorgt, dass sie auf die eine oder andere Weise verstanden werden, ist es doch gerade ihre uneindeutige Interpretierbarkeit, die eine virale Verbreitung ermöglicht. Aber auch die konkreten visuellen Elemente, der ästhetische Stil und die rhetorischen Mittel, spielen eine zu ergründende Rolle bei der Verbreitung.
Von den Daten zur Analyse: Ein methodenübergreifender Ansatz
Die Grundlage unserer Untersuchung bildet ein Datensatz von 8,5 Millionen Bildern, die von 1.675 rechtsextremen, verschwörungsideologischen und esoterischen Kanälen auf der Plattform Telegram im Zeitraum von Januar 2022 bis Juni 2023 geteilt wurden. Nach einer mehrstufigen Filterung, die wir genauer in unserem Methodenkapitel beschreiben, blieb uns ein Sample von 40.728 Bildern, das wir paritätisch aus den von uns untersuchten Milieus zusammengestellt haben. Das heißt, wir haben – soweit möglich – jeweils 4.000 Bilder von beispielsweise extrem rechten, verschwörungsideologischen und esoterischen Kanälen zufällig ausgewählt.9
Zur Sortierung des Bildmaterials haben wir mit einer Gruppe von Student*innen zusammengearbeitet, die zum einen die Aufgabe hatte, Memes nach von uns definierten Maßstäben aus dem Korpus der Bilder zu identifizieren,10 und zum anderen, potentiell abwertend wirkendes Material in verschiedenen Schritten zu ordnen. Wie bereits angedeutet, lassen die Memes große Interpretationsspielräume zu. Das gilt nochmal mehr für die Thematisierung komplexer politischer Zusammenhänge, die mit ironischen Untertönen einhergehen. Denn was als Kritik an Formen gruppenbezogener Politik und was als Diskriminierung oder gar Feindlichkeit gegenüber entsprechenden Gruppen gelten kann, ist gesellschaftlich umstritten, sogar in (potenziell) betroffenen Gruppen selbst. Auch die Grenzen zulässigen Humors oder Sarkasmus werden individuell unterschiedlich empfunden. Die Einordnung der Memes spiegelt daher zwangsläufig die Wahrnehmung von uns (also der Studienleiter*innen und Kodierer*innen) wie auch unsere Vorstellung davon wider, wie sie von anderen, insbesondere Betroffenengruppen, gelesen werden können.
Dieses Problems bewusst, haben wir die Kodiergruppe in der dreistufigen Schulung absichtlich sensibel angeleitet, um Uneindeutigkeiten auch in unseren Datensatz einzubeziehen. Gleichzeitig wurden die Memes dreifach kodiert und nur dann aufgenommen, wenn mindestens zwei Kodierer*innen sie in eine oder mehrere von uns definierte Abwertungskategorien eingeordnet haben. Außerdem haben wir als Studienleiter*innen verschiedene Evaluationsschritte eingelegt, um False Positives auszusortieren. Schließlich blieben von 40.728 mit maschinellen Methoden vorsortierten Bildern 2.158 Memes mit potentiell abwertenden Charakteristika übrig, die wir dann analysiert haben.11
In der theoretischen Annäherung an das Problem memifizierter Diskriminierung haben wir uns am Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit orientiert. Es meint die Abwertung von Menschen aufgrund ihrer (vermeintlichen) Gruppenzugehörigkeit/en, basierend auf einer Ideologie der Ungleichwertigkeit.12 Das sind vorurteilsgeleitete Einstellungen, die soziale Ungleichheiten rationalisieren. Strukturelle Probleme werden dabei auf minderwertige Eigenschaften bestimmter Gruppen zurückgeführt und diese damit für ihre eigene Ausgrenzung oder Subordination verantwortlich gemacht, wobei sich verschiedene Abwertungskategorien gegenseitig bestärken können. In einem Pre-Test unseres Meme-Datensamples haben wir fünf solcher Kategorien als prävalent identifiziert; sie wurden zunächst definiert und operationalisiert – und im Folgenden quantitativ und qualitativ untersucht.13 Die Kategorien umfassen die folgenden Phänomene gruppenbezogener Abwertung: Frauenfeindlichkeit, LGBTQI– bzw. Homo- und Transfeindlichkeit,14 Antisemitismus, Rassismus und Muslimfeindlichkeit.15
Memes, Masse, Abwertung: Ein quantitativer Überblick
Die Plattform Telegram ist nicht gerade dafür bekannt, ein Ort der memetischen Kreativität zu sein. Dies liegt zum einen daran, dass Telegram für junge Menschen – die eine größere Neigung zu dieser netzkulturellen Praxis aufweisen – weniger relevant ist, und zum anderen daran, dass die (öffentliche) Struktur des Messenger-Dienstes stark auf Kanäle ausgerichtet ist, die eine einseitige, sogenannte One-to-Many-Kommunikation ausmachen.16 Zugleich werden Nachrichten nicht algorithmisch sortiert, so dass visuelle Inhalte nicht wie auf anderen Plattformen gegenüber reinen Textinhalten bevorzugt werden. Vielmehr bedienen sich Telegram-Nutzer*innen eklektisch anderer Quellen, wie etwa dem Imageboard 4Chan; was eine stärker strategische und weniger organische Memeproduktion vermuten lässt. Zudem lässt sich anhand der Memes in den von uns untersuchten Gruppen erkennen, dass die Bildsprache sich weniger an digitalen Subkulturen als vielmehr an chauvinistischem Alltagshumor orientiert.
Im Ergebnis fallen die meisten diskriminierenden Memes in die Kategorie der Frauenfeindlichkeit. Über 31 Prozent wurden als solche identifiziert, die als misogyn gelesen werden können. Dieser Wert überrascht ob der hohen Betroffenheit weiblicherseits von digitalem Hass nicht.17 Eine Rolle spielt dabei, wie wir noch darstellen werden, dass Misogynie häufig subtil daherkommt, in Form geschlechterspezifischer Stereotypisierung. Die zweithäufigste Abwertungskategorie bezieht sich auf die Personengruppe, die im öffentlichen Diskurs häufig als LGBTQI oder LGBTIQA+ zusammengefasst wird, in unserem Sample aber nur mit einer Teilmenge auftaucht, in Form von Homo- und Transfeindlichkeit.18 So tauchen in 28 Prozent der Memes Aspekte auf, aus denen sich Vorurteile oder Feindlichkeiten gegen Menschen aufgrund ihrer (transidenten) Geschlechtsidentität und mitunter der sexuellen Orientierung herauslesen lassen. Viele dieser Memes bewegen sich in einer Grauzone, da sie sowohl als Kritiken an Geschlechts- und Identitätspolitiken als auch als Abwertung der Menschen, denen diese Politiken gelten, verstanden werden können. Diese Uneindeutigkeit bzw. Interpretationsvielfalt ermöglicht, dass multiple Triggerpunkte in einer emotional geführten Debatte insbesondere um das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung aktiviert werden können.
Aspekte, die als rassistische Abwertung gelesen werden können, finden wir in ebenfalls 28 Prozent der Memes. Im Zentrum stehen dabei vor allem Sschwarze und als arabisch, mitunter auch türkisch eingeordnete Personen. Diese werden einerseits mit Vorurteilen bezüglich kriminellen Verhaltens belegt und andererseits als maßgebliche und gefährlichste Kohorte einer vermeintlichen Überfremdung dargestellt. Ähnliche Abwertungen und Ablehnungen sind auch im Bereich der Muslimfeindlichkeit zu finden, der mit sechs Prozent am kleinsten in unserem Datensample ausfällt. Dies dürfte allerdings auch mit zeitlichen Konjunkturen zu tun haben. So gab es in dem untersuchten Zeitraum weniger Debatten über den Islam als in vorangegangenen Zeiträumen oder auch danach, insbesondere seit dem neu entflammten Nahostkonflikt.19 Dieser ist denn auch nicht berücksichtigt in der letzten Kategorie, der des Antisemitismus. Entsprechende Stereotype, Stilfiguren und Anfeindungen wurden aus 18 Prozent der Memes herausgelesen. Bildlich angesprochen werden dabei etwa jüdische Allmachtsphantasien, oft in Bezug auf Verschwörungstheorien wie dem Great Reset.
Die Abwertungskategorien treten oft nicht isoliert voneinander auf. In neun Prozent der Bilder wurden multiple Abwertungen festgestellt, waren also verschiedene Gruppen betroffen. Die oberen Memes zeigen solche Fälle, die oft in Kombination verschiedener Bildelemente auftreten. Von besonderem Interesse ist hierbei, welche Abwertungen häufiger zusammen auftreten, weil so auch implizite Muster deutlich werden: wie sich Gruppenabwertungen überlagern und Gruppen gar gegeneinander ausgespielt werden. Wenig überraschend ist die enge Verbindung von Rassismus und Muslimfeindlichkeit sowie von Frauen- und (LGB)T-Feindlichkeit, da bei beiden Paaren eine phänomenologische Nähe vorliegt. Relativ eng verbunden sind auch Rassismus und Misogynie. Während der Bezug auf Frauenrechte zur Nutzbarmachung für rassistische Exklusion bereits bekannt ist – man denke etwa an die Kopftuchdebatten –,20 sind die Verbindungen im Datensatz facettenreicher. Ein geläufiges Bildmotiv ist etwa, dass insbesondere Frauen naiv oder hysterisch seien, was ihre antirassistischen Positionen angeht. Ähnliche Meme-Elemente sind bereits aus der Alt-Right bekannt.21 Aber auch ukrainische Flüchtlinge werden einerseits rassistisch und andererseits als Sexualobjekte abgewertet. Antisemitismus tritt hingegen viel isolierter im Vergleich zu den anderen Abwertungskategorien auf.
Creators, Manipulators, Multipliers: Akteure hinter den Memes
Unser Meme-Datensample entspringt dem Langzeit-Monitoring von demokratiefeindlichen Akteuren auf Telegram, das wir seit 2022 über nunmehr zwei Jahre stetig ausgebaut haben. Wir unterscheiden hier die Akteure – auf Grundlage einer qualitativen Prüfung der 1.876 Accounts – danach, wie sie sich ideologisch einordnen lassen. Dadurch lässt sich besser verstehen, mit welchen Themen und Inhalten verschiedene Fraktionen versuchen, Präsenz zu erreichen und Dynamiken anzustoßen. Diese Einordnung erfüllt ihren Zweck auch mit Blick auf die Bildsprache, wo wir je nach Akteursgruppe quantitative und qualitative Unterschiede feststellen können bei der Nutzung von Memes. Insbesondere Rechtsaußen-Akteure greifen in der Gesamtzahl häufig zu abwertenden Memes, insbesondere jene, die sich im populistischen und neurechten Bereich ansiedeln lassen. Dass verschwörungsideologische Kanäle hier weniger vertreten sind, heißt nicht, dass sie weniger mit Bildern arbeiten, sondern, dass diese weniger abwertungsrelevanten Inhalt aufweisen.
Greifen wir uns einige relevante Akteursgruppen heraus, fällt auf, dass unterschiedliche Gruppen im Fokus ihrer Abwertung liegen. So sehen wir in rechtspopulistischen Kreisen, dass häufiger Frauen abgewertet werden: 49 Prozent der hier verwendeten Memes weisen misogyne Elemente auf (was 28 Prozent unseres Gesamtkorpus entspricht).22 Ein Teil davon geht auf Kanäle zurück, die durch (vermeintlich) satirische Nachrichten hervorstechen und besonders viel Bildmaterial produzieren. In esoterischen Kreisen werden oft rassistische Memes geteilt (39 Prozent aller Memes, die von jenen Accounts geteilt sind, enthalten Spuren von Rassismus), was allerdings nur 18 Prozent aller rassistischen Memes ausmacht. Antisemitische Memes finden wir am häufigsten unter Anhänger*innen von QAnon (19 Prozent). Fast jedes dritte Meme (32 Prozent), das von den entsprechenden Kanälen geteilt wird, kann antisemitisch gelesen werden. Ebenso finden wir bei anderen Akteuren, die Desinformation und Verschwörungstheorien verbreiten, insbesondere Memes, die eine antisemitisch konnotierte Weltherrschaft abbilden und somit Jüdinnen und Juden als Verursacher von Unheil darstellen.
Nachdem wir uns einen Überblick über die Verteilung von gruppenabwertenden Memes verschafft hatten, waren unsere nächsten Schritte, die hinter den Abwertungen stehenden Narrative, die in die Memes integrierten Bildelemente sowie die ästhetischen Darstellungsweisen und rhetorischen Überzeugungstechniken genauer zu untersuchen. In der folgenden Auswertung hier konzentrieren wir uns für jeden Analyseschritt auf eine der Abwertungskategorien, mit dem Ziel, einen möglichst breiten Eindruck von unserem Datensample und seiner Bearbeitungsmöglichkeiten geben zu können. Wir kombinieren hier quantitative Erkenntnisse mit qualitativ dichten Beschreibungen. Um aus der Datenmenge Beispielbilder auszuwählen, haben wir uns auf Memes konzentriert, die mindestens 10.000 Views auf Telegram hatten, also eine gewisse Reichweite erlangten.
Bisher haben wir die bildliche Abwertung von Gruppen recht monolithisch dargestellt. Dringt man aber weiter in die Materie vor, lassen sich in den Abwertungen verschiedene wiederkehrende Erzählungen, also Narrative, finden. Oder genauer: Inhalte, die sich geläufigen Narrativen zuordnen lassen. Die Memes auf diese narrativen Momente hin zu untersuchen, war ein aufwendiges Unterfangen. Hierzu wurden zunächst für jede Abwertungskategorie zwischen sieben und zehn narrative Gattungen aus der Forschungsliteratur abgeleitet; daraufhin wurde analysiert, welchen sich die erzählerischen Momente im Datensatz zuordnen lassen.23 Unsere Ergebnisse zeigen, dass den bildlichen Darstellungen in allen Abwertungskategorien vielfältige, zum Teil auch widersprüchliche Momente eigen sind, die sich auf diverse Narrative beziehen lassen. Am heterogensten war die Darstellung im Bereich des Rassismus: Hier decken neun narrative Gattungen 93 Prozent der Memes ab. Im Bereich des Antisemitismus sehen wir hingegen eine Konzentrierung auf wenige prävalente Narrative: Hier decken schon fünf Gattungen 93 Prozent der Memes ab.
Narrative der Abwertung: Wie (un)bewusst Misogynie verbreitet wird
Für die Feinanalyse der narrativen Dimension haben wir uns entschieden, auf den Bereich der Frauenfeindlichkeit zu fokussieren. Frauen sind im Netz einer Vielzahl unterschiedlicher und sich überschneidender Formen von Anmaßungen und Angriffen ausgesetzt. Die Spannbreite reicht von geschlechtsspezifischen Stereotypisierungen, die wir als häufigste, wenn auch subtilere Form der Abwertung identifiziert haben (27 Prozent), bis hin zur Verharmlosung oder gar Befürwortung sexueller Gewalt gegen Frauen (sieben Prozent). Heraus sticht auch die Darstellung von Frauen als Sexualobjekte (23 Prozent), häufig damit einhergehend, dass ihnen die Selbstständigkeit abgesprochen wird. Diese Botschaften knüpfen an Narrative an, die patriarchale Ansprüche über den Körper der Frau erheben; ihre untergeordnete Rolle wird als normal dargestellt, mitunter werden Frauen auch Grundrechte abgesprochen. Viele abwertende Memes richten sich zudem gegen den Feminismus als dekadente Ideologie, die der Verweichlichung von Männern und der reproduktiven Zersetzung der Gesellschaft diene (15 Prozent). Ausgehend von der Verteilung der narrativen Gattungen schauen wir uns nun genauer an, wie sich ihre Momente in der Bildsprache zeigen, und verdeutlichen dies an repräsentativen Beispielen.
In der Gattung Stereotypisierung finden wir vor allem überzogene Geschlechterklischees, wobei Frauen in der Regel schlechter wegkommen als Männer. Derlei Memes reproduzieren ein Frauenbild, das sie als übersensibel, zu emotional, hysterisch, leicht reizbar, dominant, schwer zufriedenstellend oder kostspielig abwertet, während Männer als stark und rational, oft auch als natürlich sexgetrieben dargestellt werden. Dabei müssen Frauen nicht einmal explizit gezeigt werden; es können auch bloß Männer gezeigt werden, die über sie reden. So wie in der hier gezeigten Darstellung zweier Männer am Tisch, davon einer in Polizeiuniform: offenbar eine Verhörsituation. Die eingefügten Sprechblasen erinnern an die Ästhetik der Fotoromane für Jugendliche. Der Polizist: »Also, wann haben Sie bemerkt, dass Ihre Frau tot ist?« Der andere Mann: »Der Sex war wie immer, aber dann häufte sich der Abwasch in der Küche.« In diesem Fall werden nicht nur restriktive Geschlechterrollen bemüht (die Frau macht den Abwasch), sondern auch eine hierarchische Sexualpraxis betont: Der Mann ist aktiv an Sex interessiert; die Frau verhalte sich passiv. Zugleich werden diese Klischees mit einer Verharmlosung sexueller Gewalt verbunden, die Frauen ihre Selbstbestimmung abspricht: Der Mann benötige, so die implizite Botschaft, kein Einverständnis der Frau zum Sex.
Darüber hinaus werden Frauen häufig auch ganz explizit als Sexobjekte für Männer dargestellt (23 Prozent). Dabei werden Körpermerkmale offensichtlich sexualisiert oder Frauen dem – offenbar als heterosexuell männlich angenommenen – Betrachter als frei verfügbare Sexfantasie dargestellt. Auf einem Meme liegt etwa eine junge Frau mit nackten Beinen neben einem Mülleimer auf der Straße. Der Text: »Wieso schmeisst [sic!] man so was [sic!] weg?? Sieht doch noch gut aus!!!!« Auf einem anderen Meme sieht man eine junge Frau von innen eine Wohnungstür öffnen. Sie ist untenrum nackt und wimmelt einen imaginierten Besucher ab: »Gasrechnung? Können Sie bitte später kommen, ich bezahle gerade den Strom!« Neben der Darstellung als Sexobjekt kommt hier auch eine Botschaft der Entmündigung zum Ausdruck, insofern Frauen unterstellt wird, kein eigenes Geld zu haben und nur mit sexuellen Dienstleistungen »bezahlen« zu können (acht Prozent). Außerdem zeigt das Beispiel, dass Memes auch ohne offenen Frauenhass misogyne Botschaften transportieren können. Frauen werden hier etwa abgewertet, um auf andere Empörungsthemen anzuspielen: in diesem Falle die steigenden Gas- und Strompreise 2022.
Auch ohne explizite Nacktheit können Memes Frauen zu Sexobjekten degradieren. Etwa wenn normschöne Frauen übersexualisiert und davon abweichende Frauenkörper abgewertet werden. Wir sehen hier etwa die berühmte Filmszene mit der lachenden Marylin Monroe, in der ihr Kleid hoch weht und ihre Beine frei gelegt werden; daneben die Grünen-Politikerin Ricarda Lang, ebenfalls ein Kleid tragend. Die Bildüberschrift lautet: »Hoffentlich bleibt es Windstill [sic!]«. Auch wenn dieses Motiv einer Abwertung aufgrund des Äußeren weniger häufig (16 Prozent) ist als das der Übersexualisierung, lässt sich daraus doch eine ähnliche Botschaft lesen: Frauen sollen dem männlichen Betrachter als »Eye Candy« dienen. Gleichwohl besteht neben dieser machistisch-sexistischen Lesart noch die Interpretationsmöglichkeit, dass die Abwertung sich allein auf die Körperfülle beziehe, also »bloß« fatphobisch motiviert sei. Es gibt somit ein gewisses Maß an Ambiguität, das, gepaart mit dem humoristischen Augenzwinkern, unterschiedlich aufgenommen und so durch unterschiedliche Rezipiententypen verbreitet werden kann. Zugleich öffnet es eine Hintertür für Verbreiter*innen, Frauenfeindlichkeit abstreiten zu können. Grundsätzlich aber ist körperliche Abwertung ein weit verbreiteter Modus von Misogynie und sind Frauen von fatphobischen Anmaßungen ungleich stärker betroffen.
Zehn Prozent der Memes, die sich als frauenfeindlich lesen lassen, sind solche, in denen Frauen als dumm und einfältig dargestellt werden. Dass es den Akteuren rechterseits häufig als Aufhänger für Misogynie dient, Politikerinnen (insbes. der Grünen und der SPD) die Kompetenz abzusprechen, zeigt sich darin, dass 45 dieser Memes speziell gegen diese Gruppe gerichtet sind. Die meisten Views erhielt hier die Fotomontage eines Kinderspielzeugs: der »Sprechpuppe Annalena«, ausgestattet mit einem der Außenministerin Baerbock nachempfundenen Knautschgesicht. Die Beschreibung auf der rosa Verpackung listet ihre Versprecher (z.B. »gefanzerte Parzeuge«), aber auch die Fähigkeit, »emotional [zu] werden« auf. Hier spiegelt sich auch wider, dass rechterseits die Grünen ein zentrales Feindbild sind, wobei sich die Bildsprache aber fast ausschließlich gegen Politikerinnen richtet, so dass ein frauenfeindliches Muster zu erkennen ist. Für Rezipient*innen besteht aber dennoch die Möglichkeit, dies als ordinäre Lächerlichmachung einer inkompetenten Verantwortungsträgerin zu interpretieren bzw. damit den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit zurückzuweisen. Auch damit ergeben sich breitere Verteilungswege.
Dass direkt zur Gewalt aufgerufen wird, ist eher selten; die Memes spielen, wie bereits dargelegt, meist mit subtilen Formen der Abwertung. Trotzdem lassen sich sieben Prozent jener Memes als gewaltverharmlosend oder -verherrlichend lesen.25 Ein Thema ist dabei die Missbrauchs-Debatte um den Rammstein-Sänger Till Lindemann. Ein Meme zeigt einen weißhaarigen Mann mit einem gequälten Grinsen im Gesicht, eine Kaffeetasse in der Hand: das bekannte Template von »Hide the Pain Harold«.26 Auf dem oberen Foto schaut er auf einen Laptop und liest: »Sie wurden massiv unter Druck gesetzt und dazu genötigt, Substanzen zu nehmen, die sie nicht wollten.« Auf dem unteren Foto schaut er in die Kamera und sagt: »Klingt eher nach Winter 2021/2022 als nach Rammstein«. Auch hier ist die Abwertung von Frauen nicht vordergründig; eindeutig kritisiert werden erstmal nur die Corona-Maßnahmen der Regierung, die als körperliche Nötigung dargestellt werden. Für manche Rezipient*innen mag dies der saliente Aspekt und die Anspielung auf den Vorwurf gegen Rammstein nur ein Aufhänger sein. Andererseits zeigt sich hier ein wiederkehrendes Muster: Es wird an Debatten über Gewalterfahrungen angeknüpft, die Erfahrung der Opfer negiert und man selbst oder die vermeintlich eigene Klientel (hier: die deutsche Bevölkerung) viktimisiert. Dass es dabei häufig Gewalterfahrungen von Frauen sind, die Hohn erfahren, steht im Einklang mit anti-feministischen Narrativen, die die Auflösung tradierter Geschlechterordnungen beklagen, in denen Frauen als sexuelle Verfügungsmasse fungieren. Diese narrative Gattung finden wir mindestens in subtiler Form bei zwölf Prozent der frauenfeindlichen Memes.
Die Ambiguität der Ebenen: Elemente von (LGB)T-Feindlichkeit
Memes remixen verschiedene Botschaften und Elemente, um sie zu einer neuen Sinneinheit zu verpacken. Beim Anschauen von Memes interpretieren wir sie unbewusst und ordnen ihre Textelemente bestimmten Themen zu und in uns geläufige Narrative ein. Da Bilder semantisch offener und somit mehrdeutiger sind als Text, und auch weil die pointierten Textelemente oft den Bezug nicht klar benennen und Anspielungscharakter haben, kann die Interpretation von Betrachter*in zu Betrachter*in variieren. Aber was ist genau auf diesen Memes abgebildet, das unterschiedliche Wahrnehmungen und Bedeutungszuschreibungen hervorruft, wodurch eine breite Empfänglichkeit ermöglicht wird? Um besser zu verstehen, wie die Resonanz von Memes genau funktioniert, haben wir daher auch einzelne visuelle Elemente wie Personen, Objekte, Tiere oder Symbole codiert. Das ermöglicht eine möglichst deskriptive bzw. objektive Bildbeschreibung und kann dabei helfen, visuelle Träger von Abwertung zu kontextualisieren und implizite Muster der Persuasion zu erkennen.27 So zeigen etwa Studien, dass sich aus der Häufigkeit von bestimmten Elementen Hinweise auf die argumentative Struktur eines Memes ergeben.28 Welche Elemente besonders häufig bei welcher Gruppenabwertung auftreten, zeigt die folgende Netzwerkdarstellung.
Mit Blick auf die Netzwerkgrafik sticht heraus, dass antisemitische Memes auffällig häufig Personen aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft abbilden, wohingegen diese bei anderen Abwertungen nicht vorkommen. Diese Fixierung auf einflussreiche Positionen und die Unterstellung von Macht ist in antisemitischen Sprachbildern altbekannt und zeigt sich in den Memes auch durch die Verwendung von Markenlogos, welche mit einer jüdischen Weltverschwörung assoziiert werden. Im Unterschied zu den oft voraussetzungsvollen Elementen antisemitischer Bilddarstellung funktionieren Memes, die Frauen abwerten, relativ simpel: Unbestimmte Personen (insbesondere weiße Frauen) werden in Verbindung mit Nacktheit, aber auch Fortbewegungsmitteln und Nahrungsmitteln gezeigt. Die dahinterstehenden Stereotype der schlechten Autofahrerin oder der heimischen Versorgerin sind offensichtlich. Waffen hingegen lassen sich am häufigsten in rassistischen Memes finden, was ob der Darstellung von Menschen mit anderer Hautfarbe als kriminell ebenso wenig überrascht wie der Befund, dass religiöse Symbole am häufigsten in muslimfeindlichen Memes abgebildet werden.
Worauf in diesem Abschnitt allerdings der Fokus liegt, sind Elemente in Memes, die als Abwertung von (LGB)T-Personen gelesen werden können. Wie bereits gezeigt, umfasst diese Kategorie die zweithöchste Zahl an relevanten Memes. Konkret interessierte uns hier, inwieweit verschiedene Elemente in Kombination auftreten und wie sich diese Elemente in reichweitenstarken Memes artikulieren. Thematisch sind sie vor allem eingebettet in die Diskussion rund um das geplante Selbstbestimmungsgesetz, also ob etwa Bürger*innen ihren Geschlechtseintrag, einschließlich des Vornamens (auch rückwirkend) qua Selbsterklärung ändern können. Dies ist wiederum verquickt mit der Diskussion, ob es zwei oder mehr (biologische) Geschlechter gibt und ob Menschen ihre Geschlechtsidentität oder gar ihr Geschlecht im engeren Sinne wechseln können. Die Memes nehmen somit Bezug auf einen mehrschichtigen Problemkomplex, wodurch eine Uneindeutigkeit entsteht, gegen was genau sich eine Spitze richtet. Was für die einen ein bloßer politischer Trend oder gar eine politische Agenda ist, der sich auf eine soziale Gruppe bezieht, ist für andere ein fundamentales Recht von insbesondere Transpersonen, die anzuerkennen, zu schützen oder auch zu feiern sind. Entsprechend sind die Ebenen der Kritik und Feindlichkeit gegenüber etwa linker Identitätspolitik, Transaktivismus, Transpersonen und Transfrauen intersubjektiv variabel.
Ein häufig vorkommendes Element sind Tiere. So auch bei dem Meme mit den meisten Views in unserem Datensatz. Dieses spielt auf das schon genannte Selbstbestimmungsgesetz an – insbesondere auf den Aspekt, dass biologische Männer nach Wechsel des Geschlechtseintrags mitunter Zugang zu Frauenräumen erhielten. Insbesondere in queerpolitisch geprägten Diskursen liest sich das Meme als transfeindlich, insofern hier Transfrauen als Gefahr für Cisfrauen dargestellt würden. Während dies gerade in rechtsextremen Kontexten, die Transpersonen und insbesondere Transfrauen häufig als abnormal und pervers konnotieren, durchaus so gemeint sein dürfte, mögen moderatere Kreise oder auch bestimmte feministische Gruppierungen darin eine Darstellung von Missbrauchsmöglichkeiten durch Männer oder eine Verdeutlichung der Absurdität von Self-ID bzw. linker Identitätspolitik sehen. Die Meme-Vorlage stammt von der litauischen Comic-Zeichnerin Herta Burbe und wurde vom Umfeld des US-amerikanischen Verschwörungsideologen Alex Jones in einen transfeindlichen Kontext gebracht. Die deutsche Variante ist eine wörtliche Übersetzung des englischsprachigen Memes, das für die deutsche Debatte rekontextualisiert wurde. Es enthält mit der simplen Cartoon-Ästhetik sowie der anthropomorphen Darstellung von Tiercharakteren Elemente, die wir in einer Vielzahl von Memes vorfinden. Auch hier ist Ambiguität anzunehmen: Was manche als Entmenschlichung durch Tiervergleich verstehen (oder auch so beabsichtigen), mögen andere als klassisches Mittel der Analogie, als Fabel, aufnehmen.
Ein weiteres häufiges Element sind Kinder. Sie sind oft in rassistischen und noch öfter in Memes mit (LGB)T-Abwertungen zu finden. Dabei werden in erster Linie nicht etwa offen Ressentiments bedient, vielmehr erlauben sie mehrdeutige Assoziationen, die eben solche triggern, aber auch andere Reizthemen aktivieren können. Was für die einen Kritik an einer Verdrehung biologischer Fakten ist, wird von anderen als Angriff auf Transpersonen gelesen (oder auch beabsichtigt). Auf diese Weise können entsprechende Memes über unterschiedliche Rezipiententypen hinweg Schlagkraft generieren. Ähnlich, wenn auch mit einer aggressiveren Note, verhält es sich mit einem weiteren Meme: Es enthält die häufig im Sample verwendete Regenbogenfahne, die bei uns unter dem Element Fahnen einsortiert ist. Für die einen steht sie symbolisch für die sogenannte queere Community, für andere für eine problematische queere Ideologie. Durch die Verbindung mit dem Spruch »Finger weg von unseren Kindern«, mit einer monsterhaften Pride-Hand, die nach einem Kind greift, mag von manchen als Dämonisierung von etwa LGBT-Personen gelesen (oder auch beabsichtigt) werden, die mit dem Vorwurf der Pädophilie belegt würden;29 für andere mag es deftige Kritik an einer als falsch empfundenen ideologischen Einflussnahme sein, die sich in pädagogische Bereiche für Kinder und Jugendliche erstrecke.
Die Ästhetik der Abwertung: Rassismus in Memes
Ein Erfolgsfaktor für die Verbreitung von abwertenden Memes ist die ästhetische Aufmachung. Prinzipiell gilt, dass ein Meme mehr Menschen erreicht, je besser es gemacht ist; die Botschaft ist teilweise gar zweitrangig.30 »Besser« meint in dem Fall nicht unbedingt professioneller. Ein gewisser DIY-Amateurismus scheint die Sehgewohnheiten des Publikums oftmals besser zu bedienen als ein durchgestyltes Share-Pic. Dies animiert auch andere, sich selbst in der Bildproduktion zu betätigen. Unter dem Strich gibt es keine ultimative Anleitung für eine visuelle Aufmachung, die Reichweite verspricht. Es bedarf dafür allerdings visueller Elemente, die sie in einer Menge an Bildkommunikaten hervorstechen lassen. Wir haben daher auch untersucht, welche ästhetischen Stile genutzt werden, um das Meme attraktiv, witzig oder sonstwie teilenswert bzw. likebar zu machen. Bei dieser Analyse fällt auf, dass sich Memes aus allen Abwertungskategorien vielfältiger Stile bedienen. Es gibt keine festen Muster, die auf eine homogene Darstellungsweise hindeuten. Vielmehr gibt es phänomenübergreifend memetische Vielfalt. Eine Besonderheit findet sich allerdings in der überproportionalen Nutzung von Statistiken und Werbeästhetiken bei Memes mit rassistischen Elementen.
Sowohl im allgemeinen Datensample als auch im Bereich der rassistischen Memes sind zeitgenössische Fotografien das häufigste Bildmaterial; in der Kategorie Rassismus werden außerdem oft Fotocollagen verwendet. So zeigt etwa ein Meme, das eine eigenwillige Collage von Fotografien darstellt, die Angst vor einer »Überfremdung« der Gesellschaft. Zu sehen sind eine weiße Frau mit Maske, eine weitere blonde Frau mit weinendem blonden Kind sowie ein Mann mit weiß geschminktem Gesicht und kunstblutverschmierten Lippen, eine übergroße Spritze haltend. Der Bildteil darüber zeigt eine große Männergruppe, die man aufgrund von äußeren Eigenschaften mit dem Thema Flucht assoziieren kann. Die Überschrift lautet: »Mit der Covid-Spritze die Umvolkung biologisch durchsetzen«. Fotografien können einen Echtheits- und Wahrheitsanspruch vermitteln, da sie ihre Motive scheinbar direkt wiedergeben und somit Argumente dokumentarisch untermauern. Auch eine lange Geschichte von Fälschungen ändert nichts daran, dass Fotos Authentizität ausstrahlen. In diesem Fall kann die Menschenmasse ein Bedrohungsgefühl erzeugen bzw. verstärken.31 Fotos von menschlichem Leid – wie hier das weinende Kind – können außerdem Empathie auslösen und das dargestellte Problem noch dringlicher erscheinen lassen. Die Collagetechnik wiederum erlaubt es, verschiedenste Themen bildlich miteinander zu verknüpfen, die in keinem direkten Zusammenhang stehen. In diesem Fall: Kindesangst und Menschenmasse, aber auch Covid und demographischer Wandel.
Die Technik des Comics tritt ebenfalls häufig in rassistischen Memes auf (77 Memes). Sie erlaubt es, vermeintliche Sachverhalte, die vermittelt werden sollen, überspitzt darzustellen, da Szenen und Bildelemente frei erfunden und gezeichnet werden können. Stereotype Darstellungen wie in diesem Meme, die deutlich an rassistische Weltbilder anknüpfen, sind wiederkehrende Motive in der Ablehnung von Migration und der gleichzeitigen Kritik an migrationsfreundlicher Politik. Darüber hinaus ist der Comic, ähnlich wie die Karikatur, ein traditionell humorvolles Medium, das es Kindern wie Erwachsenen ermöglicht, Inhalte einfach und vor allem unterhaltsam zu erfassen. Häufig sind sie auch gepaart mit popkulturellen Referenzen, z.B. auf Fernsehserien wie Spongebob und Die Simpsons oder auf verbreitete Meme-Comic-Charaktere wie den bereits oben erwähnten Hide the Pain Harold oder Pepe den Frosch. Dass die Kombination von Bild- und Textelementen auch dem Comic eigen ist, mag auch ein Grund dafür sein, warum er besonders oft in Memes verwendet wird, die sich durch eben diese Kombination auszeichnen.
Die Verwendung und Verfremdung von Werbebildern in unserem Datensatz hat meist eine humoristische Note. Sie können besonders überzeugen, weil sie an den Alltag einer konsumorientierten Lebenswelt anknüpfen – damals wie heute. Ihre Botschaften spielen häufig mit Themen rund um Fragen gesellschaftlicher Diversität, wie beispielsweise dem berüchtigt gewordenen Vorwurf der kulturellen Aneignung. Und generell mit Themen der politischen Korrektheit, wie im abgebildeten Meme: Es zeigt eine Dose mit der Aufschrift »Wichsmädel – Bohnerwachs« ein Reinigungsprodukt aus den 1930er Jahren. Darüber ist ein schwarzer Scherenschnitt von einer knienden, den Boden putzenden Frau abgebildet. Die Bildunterschrift greift den Produktnamen auf und verweist auf aktuelle, erhitzte Debatten um die politisch korrekte Benennung von Nahrungsprodukten, gefolgt von vier tränenlachenden Smiley-Emojis: Wie in vielen anderen Memes werden hier also sprachpolitische Entwicklungen thematisiert, was abermals Ambiguitäten erzeugt: Was von den einen als rassistische sprachliche Enthemmung gelesen werden kann, mag für andere die Anprangerung eines Virtue Signallings sein.
Darüber hinaus findet sich in unserem Sample historisches Bildmaterial, wie z.B. Malereien oder Fotografien aus vorherigen Jahrhunderten. Auch das Meme mit den drittmeisten Views, zugeordnet der Kategorie Rassismus, arbeitet mit dieser Technik. Es zeigt Mutter und Tochter, beide weiß und blond, in die Kamera lächelnd. Beide tragen traditionelle Kleidung, was zusammen mit dem Sepia-Farbeffekt des Fotos einen historischen Eindruck erzeugt. Der Text betont ein völkisches Traditionsbewusstsein: »Deutschland wird auch die BRD überleben.« Es braucht hier keine explizite Abwertung, um rassistische Assoziationen zu wecken: Das gegenwärtige politische System und die Migrationsgesellschaft seien nur eine Phase, die das rassisch verstandene deutsche Volk überleben werde. Auch wenn es sich hier tatsächlich nicht um ein altes Foto handelt,32 vermittelt der historisierende Effekt einen transepochalen Anspruch auf völkische Reinheit. Auch andere Memes aus unserem Datensatz bedienen ähnliche Motive und spielen mit der Visualität einer vergangenen ›besseren‹ Zeit.
Die codierte Rhetorik des Antisemismus
Der letzte Analyseschritt unserer Studie liefert schließlich eine Einschätzung, welche argumentativen und assoziativen Muster in Memes verwendet werden. Prinzipiell ist bekannt, dass Ironie und Ambivalenzen für Memes charakteristisch sind, was die interpretative Offenheit zu einem Stilmittel sui generis macht. Dazu passt auch die Feststellung, dass in Hasskontexten Memes größere Verbreitung finden, wenn sie humoristisch aufgeladen sind.33 Hierzu trägt die vermeintliche Unschuldigkeit von Witzen bei, die die Konsequenzen des entmenschlichenden Inhalts potentiell abfedert. Zugleich hat sich in den vergangenen Jahren, wo digitale Subkulturen und rechtsextremen Aktivismus verschmolzen sind, zunehmend ein kollektiver Fundus an Stilmitteln entwickelt, mit denen Menschen abgewertet werden können. In unserem Sample konnten wir verschiedene solcher Bildrhetoriken feststellen: der empörenden, humoristischen oder relativierenden Art, aber auch in Form von Überlegenheits- und Opferrollen-Vorstellungen, wobei diese durchaus unterschiedlich in den jeweiligen Abwertungskategorien auftauchen.
Empörende Rhetorik ist mit 22 Prozent am häufigsten in muslimfeindlichen Kontexten zu finden. Wiederholt spielen Kriminalität, die Angst vor einer Islamisierung oder die Gleichsetzung des Islams mit islamistischem Terror eine Rolle, häufig verbunden mit einer skandalisierenden Rhetorik. Aber auch Sodomievorwürfe treten wiederholt in dieser Sparte auf, oft in Kombination mit expliziter Abwertung. So gelten Memes als prototypisch im Sinne einer Verquickung von Empörung aufgrund sozialer, religiöser und kultureller Diskriminierungen. Besonders auffällig ist hier der Einsatz von Schrift. Mekka wird in einem der arabischen Sprache ähnelnden Font dargestellt, was den Anschein einer Islamisierung der Stadt Wien suggeriert, wohingegen »AUSLÄNDER« in großen roten Buchstaben eine eindrückliche Gefahr vermittelt. Die Abbildung einer stark verhüllten Muslima und eines Schwarzen Jugendlichen mit einem Stapel Geld vor dem Schloss Belvedere soll offenbar einen Niedergang der Stadt kommunizieren.
Rassistische Abwertungen funktionieren stark über die Kommunikation von Überlegenheit oder Stolz, was aufgrund ihres prinzipiell ethnifizierenden und/oder kulturalistischen Blickwinkels auf Menschengruppen wenig überrascht. Humor ist erwartungsgemäß in den meisten Kategorien führend und hat besondere Ausschläge in Kontexten, die häufig mit subtilen Abwertungen, insbesondere stereotypen Darstellungen, arbeiten, um an Reichweite zu gewinnen. Was jedoch am deutlichsten auffällt, ist, dass sich antisemitische Memes stark vom Rest unterscheiden. Zum einen ist das Bildmaterial deutlich humorloser als in den anderen Abwertungskategorien; es wird viel stärker mit vermeintlichen Tatsachen hantiert, darunter auch solchen Phantasmen, dass die Welt von satanischen Cliquen politisch gesteuert würde. Zum anderen ist augenscheinlich, dass die Memes thematisch auf wirtschaftlich oder politisch einflussreiche Personen, vor allem aber auf vermeintlich verschwörerische Bündnisse abzielen. Viele der geteilten Memes dieser Kategorie spielen teils offen, teils indirekt auf eine vermeintliche Elite an, die insgeheim das Weltgeschehen lenke. Durch diese Bildelemente versucht diese Abwertungskategorie stärker als andere, durch vermeintliche Tatsachen zu überzeugen.
Rhetorik und Motivauswahl lassen die Tradition der jeweiligen Kanäle erahnen. Wiederkehrende Feindbilder sind vor allem solche, die im Zuge der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen besonders bekannt wurden, wie der Software-Milliardär Bill Gates oder der Investor Georg Soros. Ihnen wurden immer wieder geheime Pläne nachgesagt, die vom angeblichen »Bevölkerungsaustausch« bis zur Fernsteuerung per Chip via Impfung reichen. Ein Beispiel dafür ist das hier abgebildete Meme. Es zeigt eine comicartige Darstellung des Ökonomen und Präsidenten des World Economic Forum (WEF), Klaus Schwab. Das abgebildete Wort »Reset« kann als mögliche Anspielung auf die Verschwörungserzählung vom Great Reset gelesen werden. Die popkulturelle Ikonographie des Memes legt eine Verbindung zu John Carpenters Film They Live nahe.34 Während die Entschlüsselung von Memes eine gewisse Literacy voraussetzt, überlassen sie die Interpretation ihren Rezipient*innen. Ob es sich beim Schwab-Meme um eine popkulturelle und konsumkritische Anspielung handelt oder ob er als manipulativer Strippenzieher dargestellt werden soll, der die Weltbevölkerung unterjocht, bleibt offen.
Antisemitismus tritt oft in verschlüsselter Sprache oder in Chiffren auf, nicht zuletzt, weil der Vorwurf nach dem Holocaust bzw. nach dessen Aufarbeitung besonders schwer wiegt und seine Zurschaustellung in großen Teilen der Gesellschaft als Tabu gilt. Während der Begriff noch im 19. Jahrhundert als Selbstbezeichnung von offenen Judenfeind*innen frei gewählt wurde, bekennt sich heute kaum noch jemand offen zu diesem Ressentiment. Zugleich sehen wir, dass in unseren Akteursgruppen Antisemitismus durchaus verschieden genutzt wird. Neonazistische Kanäle verzichten zum Beispiel auf Humor und nutzen Rhetoriken der Überlegenheit, um andere abzuwerten, wohingegen Kanäle aus der verschwörungstheoretischen Ecke stärker abstrakt mit vermeintlichen Tatsachen hantieren und sich viel kodierter ausdrücken. Offene Gewaltandrohungen werden in antisemitischen Memes auf Telegram übergreifend sehr selten geäußert, was auch mit der Möglichkeit juristischer Konsequenzen in Verbindung stehen dürfte.
Memes eignen sich für antisemitische Rhetoriken besonders, da sie nicht argumentieren, sondern ambivalente Assoziationen wecken. Antisemitismus lässt sich auch nicht auf die Abwertung von Jüdinnen und Juden beschränken. Das zeigt auch das Beispiel Schwab: Er stammt weder aus einer jüdischen Familie noch praktiziert er die Religion. Antisemitismus speist sich aus falschen Projektionen, die unabhängig von realen Erfahrungen und Wahrnehmungen und damit auch von Juden und Jüdinnen existieren.35 Anders als beim Rassismus werden nicht Triebe oder Minderwertigkeit, sondern Abstraktion und Überlegenheit auf die Hassobjekte projiziert.36 Solch komplexitätsreduzierende Projektionen weisen darauf hin, dass soziale Desorientierung und Entfremdung mögliche Auslöser des antisemitischen Wahns sein können. Sie dienen der Bewältigung des Unbehagens, auf das sie mit der Personifizierung von abstrakten Herrschaftschaftsverhältnissen der Moderne reagieren.37 Ein Angebot, das auch das abgebildete Meme macht, in Form der naheliegenden Lesart: Hinter den Problemen der Moderne stehen keine komplexen Zusammenhänge, sondern eine Verschwörung der Eliten.
Schlussbetrachtungen: Die begrenzte Viralität der Telegram-Memes
Unsere Analyse zeigt, dass abwertende Memes in demokratiefeindlichen Milieus sehr unterschiedlich genutzt werden. Sie richten sich gegen verschiedene Gruppen, verwenden dazu verschiedene Elemente, Stile und Rhetoriken. Deutlich wurde, dass subtile Formen der Abwertung – beispielsweise über die Nutzung von Stereotypen wie in der Kategorie Frauenfeindlichkeit – stärker vertreten sind in unserem Datensatz, wohingegen Memes mit expliziten Hassnachrichten und Gewaltdarstellungen die Ausnahme darstellen. Abwertende Bildsprache in Memes hat unterschiedliche Funktionen. Neben dem Abwerten und der Lächerlichmachung einer als andersartig verstandenen Gruppe können Memes, die bestimmte soziale Gruppen abwerten, dazu beitragen, die Identifikation innerhalb der eigenen Gemeinschaft zu stärken.
Obwohl Telegram als Plattform der Ruf vorauseilt, extremistisches Material in Massen zu beherbergen, haben wir es doch stärker mit einem chauvinistischen Humor für die Massen zu tun als mit exklusiven Hasskulturen, die sich aus digitalen Subkulturen speisen. Zugleich ist unser Material ein Spiegel des Zeitraums, den wir betrachten. Er beginnt nach dem Abklingen der Corona-Proteste im Winter 2022 und erstreckt sich bis zum Beginn des Höhenflugs der AfD im Sommer 2023. Da die Memes sich am tagesaktuellen Geschehen orientieren, bieten unsere Ergebnisse also nur Einblicke in eine Episode der memetischen Kommunikation gruppenbezogener Abwertung auf einer bestimmten Plattform. Eine gleichermaßen angefertigte Momentaufnahme vom Geschehen auf anderen Plattformen würde vermutlich anders ausfallen. Telegram als textspezifisches Hybridmedium belohnt Bilder nicht so sehr wie Plattformen mit algorithmisch geordneten Newsfeeds. Das häufige Posten, mit dem Aufmerksamkeit generiert wird, fördert vielmehr jene DIY-Mentalität, die partizipativen Formen der Bildproduktion eigen ist. Das heißt, Bilder werden nach eigenen Standards kreiert und geteilt.
Unsere tiefergehende Analyse hat einen vergleichbar kleinen Ausschnitt der abwertenden Meme-Zirkulation abgedeckt. Die Methode der Erstellung des Datensatzes erlaubt uns aber, eine Hochrechnung anzustellen, der zufolge wir für den Zeitraum von 1,5 Jahren von einer Zirkulation von ca. 28.500 abwertenden Memes bei den von uns untersuchten Akteuren ausgehen können.38 Zu Beginn unserer Untersuchung gingen wir davon aus, dass der Einsatz von Memes auch die Reichweite der Hassbotschaften erhöht. Aber ist das wirklich der Fall? Das leicht konsumierbare Format, die Kreativität in den Formaten und die leichte Weiterentwicklung der Memes sowie die Fähigkeit von Memes, starke emotionale Reaktionen hervorzurufen, ließen die Vermutung zu, dass Menschen diese Inhalte häufiger teilen.39 Um zu prüfen, ob Memes in der Telegram-Sphäre tatsächlich als Vehikel zur Verbreitung von Abwertung und Hass gegenüber sozialen Gruppen erfolgreich sind, haben wir zwei hierarchische Regressionsmodelle gerechnet. Zunächst haben wir die Weiterverbreitung der Memes – also die Anzahl der Weiterleitungen – mit Nachrichten der untersuchten Kanäle ohne Memes verglichen.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Viralität von abwertenden Memes nicht von anderen Nachrichten auf Telegram unterscheidet. Auf anderen Plattformen, die algorithmisch kuratiertes Bildmaterial priorisieren, mag dies womöglich anders aussehen. Gleichwohl zeigen sich Unterschiede innerhalb der Memes: Jene, die antisemitische Abwertungen enthalten, werden im Schnitt 1,5 Mal so häufig von den anderen Kanälen unseres Samples weiterverbreitet. Memes, die auf die Abwertung von Frauen abzielen, werden rund 30 Prozent seltener weiterverbreitet. Abwertungen aufgrund von Geschlechtsidentität oder sexueller Orientierung sowie Rassismus und Muslimfeindlichkeit haben hingegen keinen Einfluss auf die Viralität. Demnach gäbe es Formen der Abwertung, die resonanter sind als andere. Die Gründe dafür wären zu untersuchen. Wie in der qualitativen Analyse aber dargestellt, dürften die Ein- bzw. Uneindeutigkeit der potentiell angesprochenen Bezüge eine Rolle bei der Verbreitung spielen. Gerade auf Plattformen, die eine andere Nutzerzusammensetzung und andere Interaktionsmöglichkeiten haben als das hier untersuchte, doch recht einschlägige Milieu, könnte die Interpretationsvielfalt von Memes stärker ins Gewicht fallen.
Zitationsvorschlag: Forschungsstelle BAG »Gegen Hass im Netz« feat. Lisa Bogerts & Pablo Jost, »Five Shades of Hate. Gruppenbezogene Abwertung in Zeiten der Memifizierung«, in: Machine Against the Rage, Nr. 5, Winter 2024, DOI: 10.58668/matr/05.2.
Verantwortlich: Maik Fielitz, Christian Donner, Hendrik Bitzmann, Wyn Brodersen, Holger Marcks, Harald Sick.
- Siehe Laura Albermann, »Olaf Scholz mit Augenklappe. Auge um Auge, Meme um Meme«, in: FAZ, 5. 2023, online hier.
- Siehe Megan McCluskey, »Bernie’s Inauguration Fashion Evolves Past a Standard Meme«, in: TIME, 21. Jan. 2021, online hier.
- Siehe Nicolas Ayala, »Why There Are So Many Leonardo DiCaprio Drinking In Movies Memes«, auf: ScreenRant, 19. Aug. 2020, online hier.
- Siehe Joan Donovan, »How Memes Got Weaponized. A Short History«, in: MIT Technology Review, 24. 2019, online hier.
- Siehe Joanna Nowotny & Julian Reidy, Formen und Folgen eines Internetphänomens, Digitale Gesellschaft, Bd. 47 (Bielefeld: Transcript, 2022), S. 191–93.
- Siehe Wyn Brodersen & Maik Fielitz, »Hass durch Freude. Memetischer Humor als Gateway zu rechtsextremen Weltbildern«, in: Melis Becker, Jessica Maron & Aladdin Sarhan (Hg.), Hass und Hetze im Netz. Herausforderungen und Reaktionsmöglichkeiten (Frankfurt a.M.: Wochenschau Verlag, 2024), S. 42–48.
- Um einen Eindruck vom Bildmaterial zu geben, ohne zu dessen Weiterverbreitung beizutragen, haben wir die abgebildeten Memes mit einer einheitlichen Methode entfremdet. Da viele abwertende Memes heute über die Bildersuche von Suchmaschinen auf Forschungsberichte und -Papiere verweisen, haben wir zudem die Indexierung der Bilder bei Google für unsere Server untersagt, so dass die Bilder nicht einfach über die Bildsuche gefunden werden können.
- Nennenswerte Ausnahmen sind z.B. Ursula Kristin Schmid, »Humorous Hate Speech on Social Media. A Mixed-Methods Investigation of Users’ Perceptions and Processing of Hateful Memes«, in: New Media & Society, 2023, online hier; sowie Josephine B. Schmitt, Danilo Harles & Diana Rieger, »Themen, Motive und Mainstreaming in rechtsextremen Online-Memes«, in: M&K Medien & Kommunikationswissenschaft, Nr. 1–2, Jg. 68 (2020), S. 73–93.
- Zum Vorgehen bei der Datensammlung für unser hausinternen Monitorings siehe Abschnitt 1 im methodischen Annex.
- Zu den Maßstäben siehe Abschnitt 3.3. im methodischen Annex.
- In diesem Wert sind auch Memes inkludiert, die der Kategorie »Andere Form der Abwertung« zugeordnet wurden und damit nicht in eine der fünf prävalenten Kategorien fallen. Bereinigt man die Zahl davon, verbleiben 1.382 Memes. Indirekt können Memes noch auf andere Weise abwertend wirken, z.B. wenn sie eine Gesellschaftsstruktur unterstützen, die bestimmte soziale Gruppen systemisch diskriminiert, unterdrückt oder gar verfolgt. Auch können bestimmte Sprachpraxen von Menschen als ausschließend empfunden werden. In unserer Studie beschränken wir uns jedoch auf Memes, die eine bestimmte soziale Gruppe direkt mit Inhalten belegen, die als abwertend gelesen werden können.
- Siehe dazu grundlegend Wilhelm Heitmeyer, »Die Ideologie der Ungleichwertigkeit. Der Kern der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit«, in: Wilhelm Heitmeyer, Deutsche Zustände. Folge 6 (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2008), S. 36–44.
- Zu Details siehe Abschnitt 3.2. im methodischen Annex.
- Für die Kodierung war die Kategorie breit angelegt und umfasste theoretisch Abwertungen von sexueller Orientierung (Lesbian, Gay, Bi), Geschlechtsinkongruenz (Trans), Intergeschlechtlichkeit (Inter) und anderen Formen der Geschlechtsidentität. Praktisch waren aber nur Abwertungen, die Transpersonen betreffen, und, in geringem Maße, Abwertungen der sexuellen Orientierung festzustellen. Entsprechend ist die Kategorie für unsere Studie zu ungenau, so dass wir, auf die Ergebnisse bezogen, von Homo- und Transfeindlichkeit sprechen.
- Die Begriffe sind, streng genommen, semantisch asymmetrisch, da sie unterschiedliche Aggregaszustände von Hass anzeigen: Rassismus und Anti-Semitismus sind Konzepte, die Praxen der Abwertung von der Stereotypisierung bis zu offener Feindlichkeit umfassen, während der Begriff der -Feindlichkeit unmittelbar die intensivste Ausprägung benennt. Aus Ermangelung besserer Begriffe ist seine Nutzung aber dennoch zulässig, insofern man ihn als Oberbegriff versteht, der auch subtile und latente Praxen einschließt, die einer eigentlichen Feindlichkeit vorgelagert sind.
- Siehe dazu Kilian Bühling & Annett Heft, »Pandemic Protesters on Telegram. How Platform Affordances and Information Ecosystems Shape Digital Counterpublics«, in: Social Media + Society, Nr. 3, Jg. 9 (2023), online hier.
- Siehe BAG »Gegen Hass im Netz« & Textgain, Tracing Online Misogyny Eine quantitative und qualitative Analyse verschiedener Facetten der Manosphere und misogyner Praxis im deutsch-internationalen Vergleich, 2024, im Erscheinen.
- Siehe dazu auch Fn. 14.
- Prävalent waren vielmehr Debatten um die Vorfälle in der Silvesternacht 2022/23 und in Neuköllner Freibädern, die nicht immer als antimuslimisch, sondern in erster Linie als rassistisch gewertet wurden – abhängig davon, ob Muslim*innen dargestellt werden.
- Diese Debatten sind nicht ausschließlich rassistisch motiviert, aber herausfordernd mit Blick auf eine Differenzierung zwischen legitimer Kritik an Islam und Islamismus einerseits und Rassismus andererseits, insofern letzterer seine Vorstellungen der Ungleichwertigkeit nicht ausschließlich rassisch, sondern auch über tatsächliche oder zugeschriebene kulturelle Merkmale gründet. Siehe Floris Biskamp, »Rassismus, Kultur und Rationalität. Drei Rassismustheorien in der kritischen Praxis«, in: PERIPHERIE – Politik • Ökonomie • Kultur, Nr. 2, Jg 37 (2017), S. 271–296.
- Siehe dazu Adrienne L. Massanari & Shira Chess, »Attack of the 50-foot Social Justice Warrior. The Discursive Construction of SJW Memes as the Monstrous Feminine«, in: Feminist Media Studies, Nr. 4, Jg. 18 (2018), S. 525–542.
- Die Aufteilung der Abwertung nach Ideologie, die Aussagen über die globale Verteilung machen, finden sich in Abschnitt 3.1. des methodischen Annex.
- Genaueres dazu im methodischen Annex.
- Hierbei ist natürlich zu unterscheiden zwischen personenbezogenem Hass, der auch Politiker wie Karl Lauterbach oder auch – unter anderen Vorzeichen – mitunter rechte Politiker*innen trifft, und gruppenbezogenen Hass gegen etwa Frauen, der die Abwertung einer Politikerin anleitet. In unserem Bildsatz wird deutlich, dass die Darstellung der Memes deutlich stereotypisierender und potenziell feindlicher ist, wenn es um Politikerinnen geht. Eine Geschlechtsdimension haftet solcherlei Abwertung also an, wenn auch ihre Tiefe nicht eindeutig ist.
- Zugleich finden wir auch vereinzelt explizite Darstellungen sexualisierter Gewalt; diese stellen aber nur einen geringen Teil der Kategorie gewaltverharmlosender und -befürwortender Memes, die insgesamt 7 % beträgt. Die meisten Memes dort verharmlosen Gewalterfahrungen.
- Für eine Video-Einführung in die Geschichte der Vorlage siehe hier.
- Die objektive Beschreibung der visuellen Motive der Memes entspricht dem ersten Schritt eines etablierten Verfahrens der Bildanalyse, angelehnt an Erwin Panowsky, das in drei Schritten vorgeht: erstens, der vorikonografischen Beschreibung, zweitens, der ikonografischen Analyse und, drittens, der ikonologischen Interpretation. Vgl dazu. Lisa Bogerts, The Aesthetics of Rule and Resistance. Analyzing Political Street Art in Latin America (New York: Berghahn, 2022), Kap. 1.
- Siehe Lisa Bogerts & Maik Fielitz, »›Do You Want Meme War?‹ Understanding the Visual Memes of the German Far Right«, in: Maik Fielitz & Nick Thurston (Hg.), Post-Digital Cultures of the Far Right (Bielefeld: Transcript, 2019), S. 137–154.
- Dazu zählen auch Lesarten, die die Klauen – als häufiges Stilmittel bei Darstellungen einer jüdischen Weltverschwörung – für antisemitisch konnotiert halten. Zudem steht die Kombination aus Regenbogenfahne und Klaue für manche symptomatisch für eine Auffassung, die einen Kulturmarxismus am Werk sehe, der im Sinne einer »globalistischen« Elite arbeite.
- Siehe Cynthia Miller-Idriss, Hate in the Homeland. The New Global Far Right (Princeton: Princeton University Press, 2020), S. 66.
- Da das Meme aus einem rechtsextremen Kontext kommt, liegt nahe, dass hier das Gefühl der »Überfremdung« adressiert wird, das seinen Ausdruck in verschiedenen Narrativen des Bevölkerungsaustauschs findet.
- Der Ursprung dieses Bildes lässt sich zur russischen Fotografin Karina Kiel zurückverfolgen. Kiel hat sich in ihrer Arbeit auf Menschen in traditionellen Kleidungen spezialisiert, die sie visuell stark nachbearbeitet; siehe hier.
- Siehe Alice Marwick & Rebecca Lewis, Media Manipulation and Disinformation Online, Report für das Data & Society Research Institute, New York, 2017, S. 36-37, online abrufbar hier.
- In diesem Film findet der Protagonist John Nada, der sich ständig mit bitterer Armut und Ohnmacht konfrontiert sieht, eine Sonnenbrille, die ihm einen vermeintlich nüchternen Blick auf die Realität ermöglicht. Wo einst schillernde Werbetafeln hingen, zeigt die Brille die dahinter liegenden Imperative in nüchternem Grau: Konsumiere, gehorche, hinterfrage nicht – so lautet das Leitmotiv.. Ohnmächtig gehalten werden die Menschen durch unsichtbare Strahlen von Außerirdischen, die durch Nadas Brille ihr wahres, totenschädelähnliches Ich zeigen. Anleihen davon tauchen im hier abgebildeten Meme auf.
- Siehe Stephan Grigat, »Der Marx’sche Fetischbegriff und seine Bedeutung für eine Kritik des Antisemitismus«, in: Christina Antenhofer (Hg.), Fetisch als heuristische Kategorie (Bielefeld: Transcript, 2011), S. 275–292.
- Siehe Theodor W. Adorno & Max Horkheimer, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente (Frankfurt a.M.: Fischer, 2011 [20. Aufl.]), S. 177.
- Siehe dazu grundlegend Theodor W. Adorno, Studien zum autoritären Charakter (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2013 [8. Aufl.]), S. 122–124.
- Die Annahme dabei ist, dass in den beiden Stichproben und während der Deduplizierung jeweils repräsentative Teilmengen an Bildern ausgewählt wurden, weswegen die Verteilung im nicht ausgewählten Rest der Bilder sich ähnlich verhält und hochgerechnet werden kann.
- dazu insbes. Schmid, »Humorous Hate Speech«.